Dienstag, 12. Juli 2022

Mit der Bahn in die Berge? 9 Euro Ticket im Juni '22 im Voralpenland - Grenzkontrollen, volle Züge, technische Probleme und eine "Maskenschlägerei" - Alles dabei!

Eines vorweg: Diese Erfahrungen sind nicht ohne weiteres auf andere Regionen übertragbar und spiegeln nur das wieder, was ich erlebt habe. Die Strecken, die ich benutzte, sind im unmittelbaren Einflussbereich der Millionenstadt München, mit Salzburg ist eine weitere Großstadt vertreten, und der Ballungsraum Rosenheim wächst auch beständig weiter und weiter, da immer mehr Leute aus nah und fern sich dort niederlassen. 

Insgesamt waren es 3 Bergtouren mit dem 9 Euro Ticket im Juni, dazu kam noch eine Wochenendfahrt nach München, die ich aufgrund der Vorkommnisse auch noch erwähnen will. Ich fahre seit Jahrzehnten auch immer wieder mit dem Zug in die Berge und habe deshalb auch eine Vergleichsmöglichkeit zur vorherigen Situation. 

Allgemein zum 9 Euro Ticket:  Mit dem Zug (und Bus)  in die Berge, das war (und wird wohl wieder ab September) vom Standort Rosenheim aus, mal abgesehen von der Inntalstrecke nach Kufstein, vor allem eines: Teuer! Das die Fahrt in die Berge meist viel länger dauert und mitunter umständlich ist (abgesehen von der Inntalstrecke) sollte allgemein bekannt sein, liegt alleine schon an der Streckenführung (z.B. Schlenker nach Norden bei Bad Endorf). Anders sieht die Lage (deutlich positiver) vom Standort München gesehen aus, man hat da in ziemlich alle Richtungen ziemlich geradlinige Möglichkeiten (Garmisch, Oberland, Inntal usw.).

Erste Tour: (Wochenende): Fahrt über Freilassing in Richtung Berchtesgaden/ Untersberg. 

Hinfahrt war ca. 8 Uhr, Zug natürlich voll aber noch kein Gequetsche. Trotz aller Voraussagen meinten einige Ausflügler, sie müssten ihre Chiemsee Rundfahrt mit ihrem Motorrad (E-Bike) ausgerechnet jetzt starten, ich sag da mal nichts dazu...   In Freilassing war der Anschlusszug dann erst mal überraschenderweise fast leer, aber das sollte sich schnell ändern, es strömten Touris, insbesondere aus Indien/Korea/Japan/China in den Zug, bis er "g'steckt voll" war, ich denk' mal das wäre aber auch ohne 9 Euro Ticket so gewesen. Heimfahrt war dann am nächsten Tag (Übernachtung am Berg) , bis Freilassing hatten wir einen halbvollen Zug, und keinerlei Probleme. Der Zug von Salzburg nach München war dann richtig richtig lang, da wurden wirklich alle verfügbaren Waggons angehängt, die meisten waren schon "g'steckt voll" aber wir hatten Glück, wir stiegen in einen frisch neu angehängtes Abteil und hatten somit freie Platzwahl ! (Das Abteil wurde später natürlich auch voll) Abfahrt verzögerte sich um gut 20 Minuten, weil ein Waggon (von vielen) von der Grenzpolizei kontrolliert wurde, vielleicht war das die Retourkutsche der bayr. Behörden zur Blockabfertigung? Nein, keine Ahnung warum genau, falls regelmäßig kontrolliert wird, sollte man halt die Abfahrtszeiten dementsprechend anpassen (Aufenthalt Freilassing 30 Minuten). Es nervt natürlich, wenn du weisst, dass der Anschlusszug (hier: von R'heim nach K'moor) höchstwahrscheinlich nicht erreicht wird, und man irgendwo auf einem Bahnhof eine Stunde bis zum nächsen Zug "rumsandeln" muss. Sollte man generell aber beim 9 € Ticket im Kopf haben. Dieses Mal hatte ich aber Glück und der Zug holte einen Teil der Zeit ein und der Anschlusszug wartete auch noch, was nicht selbstverständlich ist. Alles in Allem ein eher guter Auftakt, viel Geld gespart, eine Zugfahrt nach Bischofswiesen kostet normal irgendwas zwischen 20 und 30 € glaub ich (die vorherigen Preise sind momentan bei bahn.de nicht mehr ersichtlich) , also wären es 40€+ gewesen, 9 € Ticket also schon mal wieder drin.  

 2.Tour: Brückentag/ Zug über Holzkirchen Richtung Schliersee/ Start halb 9 Uhr

Am Wochenende hab' ich mich nicht in Richtung Oberland gewagt, da war's vor der Einführung des 9 € Tickets schon recht voll, aber ein Brückentag (Freitag), das müsste doch gehen, dacht' ich mir. Ich hab' auch absichtlich nicht den frühesten Zug genommen, um einfach mal zu sehen, wie schaut's mit der Auslastung aus - Los ging's zwischen Acht und Neun von K'moor nach Holzkirchen, Zug voll aber Platz gekriegt, ab Feldkirchen sowieso fast keiner mehr drin. Dann Holzkirchen Umstieg: Ich seh schon als der Zug einfährt - Da muass'd schnell sei'! Also fix "reingehechtet", g'rad noch rechtzeitig, denn dann kam schon eine Stimme von draußen:   

"Der Zug ist voll - Keiner mehr einsteigen" (Schaffnerin/Holzkirchen)

Bei den nachfolgenden Zugstationen (Miesbach etc.) versuchten dann Leute sich noch irgendwie in den Zug zu quetschen, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. 

Generell, kann man wohl sagen, wer im Oberland (also bei den Zwischenstationen zwischen Holzkirchen und Schliersee/Tegernsee/Lengries) wohnt, und auf den Zug angewiesen ist, hat hier komplett die *rschkarte gezogen, er kommt nämlich nicht mehr in den Zug hinein am Wochenende bei Schönwetter, der ist komplett belegt von Münchner Ausflüglern. Das heisst, das 9 Euro Ticket verstärkt hier auf dem Land noch die Bindung zum Auto, während es für die Münchner natürlich eine günstige, autofreie Ausflugsalternative ist. Nehmen wir als Bsp. eine Pflegekraft im Krankenhaus Agatharied. Die braucht am Wochenende ein Auto, da kann sie noch so nah an einem Bahnhof (z.B. Weyarn) wohnen. Die muss pünktlich zum Dienst erscheinen. Das heisst wenn das 9€ Ticket nicht nur eine populistische Aktion gewesen sein soll, sondern so eine Art "Schmackhaftmachen/Anteasern" zum Pendeln mit öffentl. Verkehrsmitteln, so ist das für diese Region zumindest ein richtiger Schuss in den Ofen. Von Rosenheim nach München, wenn man ganz früh zur Arbeit fährt geht's hingegen gut (hat ein Freund von mir berichtet) und er spart sich natürlich einen Haufen Geld.

Weiter zur Bahnfahrt: Ein entnervter Lokführer machte seinem Unmut dann auch Luft:

"Wenn jetzt nicht ganz viele aussteigen, ist hier dann Schluss, dann fahr' ich nicht mehr weiter"(Lokführer/ Miesbach)

Zum Glück stiegen dann auch ganz viele aus (Bhf. Schliersee), und somit war ich dann auch am Ausgangspunkt der Tour (Bhf. Geitau) angekommen. Es war eigentlich recht wenig los auf den Bergen, vielleicht sind die aber alle schon eher los.  Die Rückfahrt vom Bhf. Fischbachau verlief dann fast ohne Probleme im Vergleich: Klar war's voll, aber durch den frühen Einstieg auf der Strecke hat man natürlich Vorteile bzgl. "Platzkampf". 

[Am Aiplspitzgipfel konnte ich den Einfluss von Wanderapps (dieses Mal nicht komoot sondern AV-Aktiv bzw. Outdooractive)  auf die Wegwahl mal wieder live mitverfolgen - Eine Wandergruppe mit klassischer Rollenverteilung: Mann schaut auf App: "Wir könnten auch DEN Abstieg nehmen (Kleinmiesing-Heuberg) Frau zögernd: "Aber ich weiss nicht, der ist ja nicht markiert, wer weiss wie der ist" Mann so: "Ach geh', der steht in der App, kein Problem" Und schließlich gingen alle den mittlerweile ausgetrampelten, vor 15 Jahren noch recht einsamen Kleinmiesingkamm... ]

3. Tour: Wochentags in Richtung Schliersee, Start halb 9

Jetzt wollt' ich's nochmal unter der Woche auf der selben Strecke ausprobieren.  Bis Holzkirchen alles easy, der Zug aus München voll, aber nicht zu voll, ich bekam sogar noch einen letzten Platz im Zwischenabteil. Zwangspause dann in Schliersee 30 Minuten. Ich weiss gar ned mehr warum: Baustelle, technische Störung irgendwas...

Es war wieder nicht viel los in den Bergen, ich überholte eine Ami-Wandergruppe, ansonsten nix, Bodenschneidhaus auch nur wenig Leute.... Mein Fehler: Ich hätte nicht noch mehr Gipfel dranhängen sollen, das war nicht gut für die Knie, was ich aber so richtig erst später bemerkte. 

Die Rückfahrt hatte es dann auch wieder in sich, erst kam der Zug verspätet, aufgrund neueingerichteter "Langsamfahrstellen" an Baustellen, dann gab's eine Zwangspause in Schliersee, was natürlich bedeutete, dass der ursprüngliche Anschlusszug nach Holzkirchen Rosenheim schon lange weg war. Aber egal, meine Idee war die halbstündige Pause in Holzkirchen zum Einkaufen im Supermarkt zu nutzen, was mit Eile auch gelang. Nach einem Sprint war ich pünktlich wieder am Bahnhof, aber siehe da, ich hätte mich gar nicht schicken brauchen, der Zug hatte wieder 30 Minuten Verspätung und es stand auch schon auf der Elektro-Tafel:

"Der Zug ist überfüllt - Nicht einsteigen"

Irgendwann kam er dann. Wie gedacht, waren viele Berufspendler drin und von denen stiegen viele in Holzkirchen aus, der Warnhinweis hatte sich also erledigt. Der Rest verlief ohne Probleme. Ich glaub' insgesamt dauerte die Heimfahrt fast 3 Stunden für ca. 23 km Luftlinie.

Wochenende (Samstag) / Fahrt nach München:

Ja gut, das war das G7 Wochenende, aber G7 war doch bei Garmisch, und ich fahr nur nach München, also, was soll's. [Von mir aus könnten sie das G7 Spektakel ja in Ramstein aufführen, top gesichert, billiger, und man weiss auch gleich wer bei dem Treffen das Sagen hat] Der Zug kam a bissl verspätet in R'heim an, aber gut, ich reg' mich über so Kleinigkeiten nicht auf, muss eh' in keinen anderen Zug umsteigen. Ein Abteil mit Sitzplatz war auch gefunden und los ging's: Natürlich gab's so ein paar "Langsamfahrstellen" und so Sachen, hinter Grafing war aber dann erst einmal komplett Schluss:

 "Weil die Grenzkontrolle, die Baustellen und die Zugüberholung noch nicht reichen, haben wir jetzt auch noch eine Signalstörung" (Lokführer mit Humor) 

Nach 20 Minuten ging's dann doch weiter, allerdings mit "Fahren auf Sicht" also seehr laaangsaam. Am Münchner HBF dann Umstieg in die Tram, der elektronische Anzeiger schrieb 8 Minuten Verspätung. Irgendwann denk ich: "Naja,  jetzt müssten die 8 Minuten durch sein" und schau' wieder hin - Siehe da, jetzt steht da 17 Minuten Verspätung (!) Der Grund wird mitgeliefert, wegen einer Demonstration, soso, G7 wahrscheinlich. Ich ruf meinen Spezl an, dass die Hinfahrt wohl noch etwas länger dauern wird. Das Gepräch kriegt ein älterer Herr mit, der neben mir auf der Bank sitzt. Der ist gleich ziemlich aufgebracht: "Ja, Sie waren auch im Zug von Salzburg oder?" was ich bejahte. Und dann kam der Wutbürger in ihm durch:   

"Mir reicht's jetzt, ich wander' aus! Noch nicht mal den Nahverkehr kriegen sie auf die Reihe, nichts funktioniert mehr, ich halt's nicht mehr aus, ich wander' aus !!!! "(Passant)

 Irgendwann kam die Tram und es ging zum Grillen, bei der Rückfahrt machte dann die Tram schlapp und ein Elektriker musste geholt werden - Gut das eine U-Bahn Station in der Nähe war. Der Zug vom Hbf in Richtung Rosenheim war dann schon gut voll, zu so später Zeit (23 Uhr) hätt' ich damit nicht gerechnet. Beim Ostbahnhof warteten dann aber noch mal sehr viele Leute, auch wieder ein paar naive Motorradfahrer dabei, die natürlich nicht reinkamen. Der Rest quetschte sich in die Gänge, ein Teil gab auf und versuchte es wohl mit dem Zug eine Stunde später.  Dies war übrigens der vollste Zug von allen hier erwähnten. Fast schon indische Verhältnisse.  Ca. 5 Minuten nach Abfahrt hörte ich dann vom anderen Ende des Abteils eine fordernde Stimme:

 "Setzen Sie die Maske auf!" (Zugpassagier)

wenig später wieder die eindringliche Stimme, dieses Mal noch lauter, das wiederholte sich noch öfter: 

 "Setzen Sie die Maske auf!" (Zugpassagier)

Und dann ging's ab, wer zuerst schubste oder zuschlug weiss ich nicht, weil ich durch die vielen Leute nicht vor sehen konnte, auf jeden Fall kamen unmittelbar danach die umstehenden Fahrgäste zu Fall. Immerhin gab's durch die "fahrende Sardinenbüchse" quasi Seitenaufprallschutz, und es wurde wohl keiner ernsthaft verletzt, auch die Kontrahenten nicht. Dank gilt den unmittelbar daneben stehenden Fahrgästen, die auf die Situation deeskalierend einwirkten und auf die Kontrahenten einredeten und sie in Schach hielten. Ich hab wirklich mit Allem gerechnet, aber nicht mit einer "Maskenschlägerei" , unglaublich, aber wahr. 15 Minuten später, in Grafing angekommen, erkundigte sich der Lokführer:

"Sie haben den Alarmknopf gedrückt, soll ich den BGS informieren?"(Lokführer)

Ich rechnete im Kopf schnell durch, und kam zum Schluss, dass durch einen Polizeieinsatz der letzte Anschlusszug nach K'moor weg sein würde und ich somit Taxifahren müsste oder zu Fuss gehen und denke mir: "Bitte Nicht!, Neiin!" Zum Glück haben dann die Streithanseln darauf verzichtet die Polizei zu holen und somit war ich eine gute halbe Stunde später daheim. 

So das war's. Ich kann nicht behaupten das ich nichts erlebt habe. Die Infrastrukturprobleme (eingleisige Strecken, veraltete Systeme, Fehlende Züge, Personal etc. ) löst ein 9 Euro Ticket natürlich nicht. Selbst wenn alle Leute auf Öffis umsteigen wollen würden - Die Infrastruktur auf der Schiene ist schlichtweg nicht vorhanden. Da die meisten Züge in Richtung Berge in München starten, haben die "Metropolianer" Vorteile bei der Platzwahl, während die "Peripherie" leer ausgeht.  Ich denke auch, dass man mit Bussen (RVO) entspannter unterwegs sein kann, hab' ich aber noch nicht ausprobiert. Und die Frühaufsteher haben natürlich Vorteile bei der Hinfahrt. Die letzte Tour machte ich dann mit dem Auto nach Österreich.