Dienstag, 8. Juni 2021

Mein Senf zu E-Mountainbikes


Abwehr und Umkehr

Ich kann euch, also die Mountainbiker, die seit Jahren oder Jahrzehnten mit normalem MTB in die Berge fahren und jetzt gegen die "Neue Welle" einen gewissen Groll hegen, ja schon nachvollziehen. Auf einmal kommt da eine Gruppe daher, die irgendwie das selbe macht, sich aber weniger anstrengt. Und da ist man zunächst einmal angefressen. Das hat n bissl was mit verletztem Stolz zu tun und damit, dass die Neu-E-Biker vllt. weniger Leidenschaft, weniger Herzblut, weniger technisches Verständnis etc. an den Tag legen. Tatsächlich hatte ich,  ich glaube 2017 war's, ein Gespräch mit einem grantelnden Radlhändler in Schönau a. Königssee:

 „I' verleih' die Dinger nimma, scho' wieda a paar Brems'n im *rsch, die wiss'n alle ned wia ma richtig bremst, nur noch mit Guide, nur noch mit Guide...“

 Ob er es tatsächlich jetzt so macht, sei' dahingestellt (i glab ned), ich war nicht mehr bei ihm im Laden. Allerdings war er bester Laune, als ihm der Emir von Kuwait, der zu dieser Zeit samt Entourage (Frauen, Diener) einen Flügel der dortigen Schön-Klinik bewohnte,  ein Dutzend teuerste E-Mountainbikes abkaufte.... Fluch & Segen...

[Ich denke es ist vielleicht sogar ähnlich wie bei mir, der schon seit Jahrzehnten an Orientierung im Gelände nur mit Hilfsmittel Karte, manchmal Büchern & seltenst auch Kompass, Spass hat. Und dann, auf einmal kamen dann so GPS-Geher daher und berichten ausfürlichst von ihren tollen „Entdeckungen“ . Die Krönung ist dann wenn man manchmal liest: "Ohne GPS keine Chance das zu finden". Alles klar.... "Bis'd' deppad oder wos?" dad der Wiener sagen.

Ich reg' mich aber auch nicht mehr über die GPS Fraktion groß auf (außer wenn sie meinen alles im WWW verbreiten zu müssen), soll jeder machen was er will. Bringt eh nichts. Und sollte ich tatsächlich einmal im Nebel oder gar Whiteout die Orientierung verlieren, vllt. hilft mir ja dann die Gps Funktion meines Handys, welches ansonsten ausgeschaltet im Rucksack verweilt, weiter und ich nehm' sie dankend in Anspruch. Ich lege es aber nicht darauf an, deshalb war dies auch noch nie der Fall.

Deshalb mein Rat an die herkömmlichen Mountainbiker: Steigert euch da nicht rein, macht die Touren so wie gehabt für euch selbst und gut ist. ]

Es ist ja auch so: Als die Handys aufkamen, war so manch einer strikt dagegen, der dann später nicht mehr die Finger davon lassen konnte... Ich denke das ist teilweise auch so mit den E-Mountainbikes. 

Nach den frühen 60ern die nächste große Erreichbarkeitsrevolution?

Irgendwann nach den armen Nachkriegsjahren gelangte auch die breite Masse der Bevölkerung (inkl. Arbeiterschicht) in die Lage sich ein Auto leisten zu können - und die Wege in die Alpen wurden kürzer. (Vorher fuhr man mit dem Radl oder mit der Bahn in die Berge - wenn überhaupt). Allerdings war dann bei den Forststraßen Schluss - die waren gesperrt. 

Mit dem E-Mountainbike (zwar auch überhaupt nicht billig für ein Sport-Fungerät, aber es gibt eben viele wohlhabende Bürger, für die es einfach die bekannten "Peanuts" sind) kann man z.B. ganz einfach eben solche Forststraßen bis in den letzten Winkel befahren - ohne viel Kraftaufwand. Mal eben ruckzuck in den Kleinen Ahornboden im Karwendel, oder hinter ins Schwarzenbachtal bei Lenggries und rauf zu den Almen bei der Benewand ? kein Problem mit dem E-Mtb. 

Auffrisieren - Wie damals bei der Zündapp!  

Natürlich hab ich E-Mtb auch mal ausprobiert. Beim Radlhändler, wo ich mal ein teures E-Mtb probegefahren bin meinte der Händler so: "Und wie war's?" Ich so: "Geht ganz schee ab!" Er so: "Dad scho' no' a bissl besser geh', da schau wennst des Kabel durchschneids is bei 25 kmh ned Schluss. Hast halt dann keinen Versicherungsschutz mehr" 

Mittlerweile gibt's da wohl alles mögliche an Anleitungen im Netz und "Tuning-Kits" zu kaufen, wie man die Drosselung aufheben kann ohne groß bemerkt zu werden. Wia damals mit de Mofas & Roller! 

Trick 17:

Ich erinnere mich auch noch an ein Gespräch mit einem älteren, rüstigen Herrn, der mir sein E-Mountainbike zeigte. "I fahr so mit  40/ 50 kmh am Inndamm" ich so: "Brauchst da koa Nummernschild? " Er so: "Pass auf, des Radl is scho' ordnungsgemäß angemeldet" Dann ging er zur Radltasche: "Jetzt zoag i da was - (zeigt mir das Nummerhschild in der Tasche) Wenn's mi doch amoi kontrollieren, da is des Nummernschild, i sog einfach des hob i grad verloren, hat si' grad g'löst."

 Leute machen Kleider:

Lustig find ich auch einen Bekleidungshersteller, der so T-Shirts mit Sprüchen & Bergsportmotiven macht: Einerseits gibt's T-Shirt für den Stolz der  althergebrachten Mountainbiker:   "Ich bin der Motor".    Andererseits T-Shirt Drucke für die E-Mountainbiker: "Das E steht für Erster" oder für die solvente Mittel- und Oberschicht:  "E-Bike - weil ich's mir leisten kann".

 Faktor Zeit:

Das ist, glaube ich, der wichtigste Aspekt, was E-Mountainbikes anbelangt: Durch die Dinger wird eine 2-Tagestour zur  Tagestour, eine Ein-Tagestour zur Halbtagestour, eine Halbtagestour zur "After work", bzw. "Sundowner"  oder "Pre work" bzw. "Sunrise" Tour. Und die Fahrt auf der anstrengenden Forststraße bis in den hintersten Winkel wird zum Kinderspiel. Führt halt zu noch mehr Besucheraufkommen. So in etwa praktiziert es z.B. auch der Münchner Daniel Hirsch - der aber in seinem Blog nie dazuschreibt, wenn er mit Auto und später E-Mtb zur Tour aufbricht - wie mir es aus gutinformierter Quelle berichtet wurde.

Alpenverein wie so oft ambivalent:

Zu der Haltung der Alpenvereine: Die ist natürlich widersprüchlich. Einerseits „Mit dem E-Mtb über die Alpen“ Titelstory im Panorama Vereinsheft, andererseits keine Ladestationen mehr bei Hütten der Großsektionen München. Vor ein zwei Jahren gab's als Gewinn bei einer Panorama „Konsumentenbefragung“ (da wollte man sogar von mir wissen welche Sockenmarke ich bevorzuge, spätestens da war mir klar: Bei so 'ner kommerziellen Datensammlung machst ned mit) sogar ein "Tarn E-Mtb". "Tarn" meint hier nicht die Farbgebung olivgrün oder irgendsowas, sondern das bestmögliche Verstecken des Antriebs im Rahmen. Man kann also, incognito, mal eben ganz lässig mit eingeschaltetem, extra leisem, „Tarn-Motor“, die „alte Garde“ überholen, ohne dass die was merkt bzw. man einen herablassenden Kommentar erntet. Ha!

[Generell ist es nach meiner Beobachtung der letzten Jahrzehnte so, dass der AV alles an Neuerungen in sich einsaugt, und sich später dann erst mit den Konsequenzen beschäftigt. Das E-Mtb ist nur eines von vielen Hilfsmitteln, die in den letzten Jahrzehnten dazugekommen sind, nur eine der vielen Hürden, die tiefergelegt wurden, vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld (3000 € aufwärts). Anderes Beispiel was ich mit dieser ambivalenten Haltung meine: Einerseits aus Umweltschutzgründen ein Gegner von Kunstschnee auf Pisten zu sein, andererseits sich vehement für die Rechte der Kunstschneepistentourengänger einzusetzen. Und mit der "weder Fisch noch Fleisch" Haltung zu den E-Mountainbikes ist es halt nicht anders.]

Ich bin ja so öko & bio mit meinem E-Antrieb:

Wenn jemand tatsächlich sein E-Mtb statt seines Autos benutzt um z.B. zum Berg und ein bisschen höher zu gelangen, lass ich mir das noch eingehen. Dann geht die Rechnung vielleicht auf. 

(Was in E Batterie-Rohstoff- Minen in Afrika und Anderswo an Billiglohn Ausbeutung und Umweltschäden passiert, lass ich hier mal großzügig weg) 

Die Realität schaut aber öfters so aus: Mit dem Auto aus München zum (höchstgelegenen) Parkplatz, E-Mtb raus, damit bis  zum Forststraßenende und die letzten 200 HM zum Gipfel - fertig ist die After-Work Tour.

Also: Macht was ihr wollts, aber erzählt mir nichts von klimafreundlich & Co.

Der küchenphilosophische Ausklang:

Zwar sind E-Mtbs mittlerweile genauso bei jungen Leuten beliebt. Oft wird aber argumentiert, dass dann eben ältere Leute auch noch in der Lage sind in den Bergen zu radeln, den körperlichen Verfall zu kompensieren. So in etwa erzählte mir das auch der weiter oben erwähnte "Trick 17" E-MtBiker: "Die jungan Leit die soll'n erst amoi normal fahr'n die soll'n sie anstrengen beim Auffifahrn bis Kotzen müssen". E-Mountainbike mit Altersgrenze?

Man könnte aber andererseits auch die Älterwerdenden kritisieren, die eben nicht loslassen können:  Angst vor dem Verfall, Jugendwahn, nicht klarkommen mit dem Altersprozess... 

Und ich? 

ich hab bisher noch kein E-Mtb.